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Die cleversten Provokateure der deutschen Musiklandschaft melden sich mit einem Album zurück, das zur Freude vieler Fans den musikalischen Bogen zu den Frühwerken der Band schlägt und darüber hinaus mit den üblichen Tabubrüchen für einkalkulierte heiße Diskussionen sorgen dürfte.
Rammstein haben den Wunsch vieler ihrer Anhänger erhört und nach einigen etwas entspannteren Alben abermals eine Scheibe eingespielt, die vor allem durch metallische Härte auffällt. Mit „Frühling in Paris“ und „Roter Sand“ sind im Gegensatz dazu auch zwei Balladen vertreten, und „Mehr“ präsentiert sich aufs Allernötigste reduziert, die übrigen acht Songs leben aber in erster Linie von knallharten Gitarren-Riffs, peitschenden Drums und jener fast schon punkigen Räudigkeit, die zuletzt auf Herzeleid und Sehnsucht zu hören war. Knallharte Nackenbrecher wie „Rammlied“, „Ich tu dir weh“ oder „Wiener Blut“ donnern kompromisslos durch die Boxen, die etwas groovigeren Hits „Haifisch“ und „B********“ dürften sich zu Disco-Dauerbrennern entwickeln, und auch das instrumental ein wenig differenziertere „Waidmanns Heil“ strotzt jedoch so vor Energie. Der einzige musikalische Durchhänger ist das wie alle englischsprachigen Rammstein-Lieder schwache „Pussy“, das genauso wie „Liebe ist für alle da“ auch textlich arg kalkuliert daherkommt. Die eindeutig zweideutigen Songtexte sind Gewiss wie eh und je ein grundlegendes Streitthema, an dem sich die Geister scheiden werden. Man kann Rammstein als kreative Visionäre feiern, darf ihre lyrischen Ergüsse immerhin auch peinlich und schauderhaft finden. Wer die bisherigen Alben mochte, wird aber auf jeden Ausschuss auch an Liebe ist für alle da Gefallen finden. – Michael Rensen
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Teutonischer Lautmalerei-Dadaismus, Dampfhammer-Sound, kühl kalkulierte Zeitgeist-Provokation und ein Hauch Oldschool – Rammstein sind Rammstein sind Rammstein.
Alles richtig gemacht, Hut ab. Es passt abermals nach den ruhigeren letzten Jahren und dem selbst für Fans eher enttäuschenden Vorgänger „Rosenrot“ – das ja zum wiederholten Mal so etwas wie eine Resterampe des bemerkenswerten „Reise, Reise“ war. An dessen Qualitäten knüpft „Liebe ist für alle da“ an, setzt auf glasklar ausgearbeitete Songstrukturen, die typischen markerschütternden Gitarren, einen immer noch mehr als charismatischen Till Lindemann in Bestform und natürlich – Rammstein sind Rammstein sind Rammstein! – ein kühl kalkuliertes Spiel mit lustvollem Provokations-Exhibitionismus und teutonischem Lautmalerei-Dadaismus.
Man muss Rammstein zugute halten, dass die generalstabsmäßig in Szene gesetzte erste Single „Pussy“ das fast schon belangloseste Stück auf diesem Album ist. Gebraucht wurde es, um den weltweiten Push hinzubekommen, den man erstaunlicherweise mit einem simplen Porno-Video heutzutage noch erzielen kann. Und um die urdeutschen Wortkreationen „Bratwurst“, „Sauerkraut“, „Mercedes Benz“ und „Autobahn“ unterzubringen, die außerhalb des hiesigen Sprachraums jederzeit so etwas wie einen Pawlowschen „Yes, this-is-Germany!“-Reflex auszulösen vermögen.
In jeder Hinsicht interessanter innerhalb des Rammstein-Kosmos sind andere Songs: ein mit seinem Dampfhammer-Ansatz in der Tat ideale Intro „Rammlied“ zum Beispiel, das mit seiner „Ein Weg, ein Ziel, eine Richtung, ein Kollektiv!“-Ästhetik endlich auch ganz offen bei Laibach plündern darf. Oder „Wiener Blut“, das nach Rammstein-Maßstäben vielleicht beste Stück auf diesem Album, weil es in Perfektion zusammenballt, was diese Band ausmacht, thematisch hart am Tabuthema-Zeitgeist-Wind, mit perfektem Timing und seiner exakt dosierten, freilich rohen, absolut zwingenden Energie.
Unüberhörbar ist die Besinnung auf die frühen Wurzeln des Rammstein-Sounds – „Tanzmetal“ nannte man das bevor die „Neue Deutsche Härte“ als Genrebegriff ins Spiel kam. Direkt aus den Mittneunzigern herüberimportiert wirken viele Keyboard-Sequenzen, was „Liebe ist für alle da“ einen durchaus angenehmen Hauch von Oldschool verpasst, ohne direkt altbacken zu wirken. Und selbstredend agieren Rammstein auf einem Soundniveau, das heutigen Gegebenheiten mühelos Rechnung trägt. Unnötig fast, zu erwähnen, dass diese Musik immer jedoch laut funktioniert, als quasikörperliche Erfahrung weit unterhalb des Kopfes, auch wenn man sich ein paar Späße mit neuzeitklassischem Kulturgut à la Brecht oder Piaf gönnt. Ein sehr überzeugendes Album ist „Liebe ist für alle da“ also geworden. Um das anzuerkennen, muss man das Gesamtkunstwerk Rammstein nicht mal besonders mögen.
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